Reflets et souvenirs

Hauskonzert bei LeBong, 3. März 2012

Das Hauskonzert bei LeBong vom 3.03.2012 stellte die Perkusionnistin Rie Watanabe und die elektronische Musik von Chikashi Miyama vor.

Das bekannte Stück Le corps à corps für Zarb von Georges Aperghis wurde von Rie Watanabe perfekt gespielt. Der Nachteil der guten Musik und der guten Aufführungen ist, dass die Zeit zu schnell vergeht. Der Vorteil aber, dass sie länger im Gedächtnis bleiben und dass sich so, gute Musik trotzdem rentiert.

Chikashi Miyama gab uns zuerst Thrum for fixed media zu hören. Es ist ein Stück das, so viel ich vernommen habe, hauptsächlich aus Klängen besteht, die von einem bekannten Zupf-Algorithmus generiert werden und die durch verschiedene Filterungen differenziert werden. Die Musik ist gekonnt gemacht und angenehm zu hören. Problematisch ist jedoch die Wiedergabe. Der Komponist benutzte das trendige Mittel der Fernsteuerung. Das geht leider nicht ohne Rupfer ab, denn die LeBongschen Lautsprechern reagieren sofort und freudig auf jede Lautstärkevariation.

Die Konzerte elektronischer Musik werden oft behandelt wie wenn ein Instrumentalensemble, spielt, das es nicht nötig findet nochmals nachzustimmen. Die akustische Situation ist jedoch unvorhersehbar: eine Probe im leeren Raum zeigt nur ob die Technik stimmt. Das akustische Resultat ist im vollen Raum anders. Deshalb sollte sich einbürgern, dass man der elektronischen Musik eine kurze Einstimmphase gestattet, so dass der Pegel auf das bestmögliche Niveau eingestellt wird.

Die andere Möglichkeit: an Stelle der hopsenden und ruckelnden Digitalkontrolle, einen analogen Potentiometer verwenden.

Black Vox for Peacock, das Chikashi Miyama 2010 konzipiert hat, besteht aus einigen Sprachsamples, deren Wiedergabe durch die kombinierte Interaktion eines Programms und einer bewegungs-sensiblen Schnittstelle kontrolliert wird.

Sprache wird gewählt nicht wegen ihrem semantischen Inhalt sondern wegen ihrer Klangfülle: von Sinus bis komplexen Geräusch, in einem Sprachfetzen gibts alles und zudem in einer engen Zeitspanne. Sind komplexe Klänge so schwer in einer der renommierten musikspezialisierten Computersprachen zu realisieren? Erstaunlich ist, dass es kaum Musikwerke gibt, die ohne Rückgriffe auf MIDI-Konserven oder akustische Klänge auskommen. Irgendwo hapert's.

Eine elektronische Musik hat immer zwei Seiten: die Materie und die Struktur. Was die Struktur der Black Vox betrifft, hat sie eher den Anschein einer Improvisation denn eines geschlossenen Werkes. Die Schnittstelle, die die Gesten des Improvisators in elektrische Spannung umsetzt, ist in diesem Sinne formgebender als das improvisatorische Spiel, weil die Verantwortung des Werks bei ihr liegt.

Diese Verschiebung des ästhetischen Gewichts vom Zuhören zum simplen Hören ist eine, ich meine schlimme, Folge der Satie-Cageschen Ästhetik. Dass Alles gilt wird zum Vorteil des Brutalsten. Kommerz und Industrie profitieren jetzt von dieser Durch- und Nachlässigkeit. Hiermit will ich nicht gesagt haben, dass die Cagesche Umwälzung unnütz oder gar schädlich war. Nein, sie ist aber zeitgebunden und benötigt seit Jahrzenten einer reflectierenten Verdauung.

Auf die Feststellung, dass es eigentlich ziemlich leicht sei in der neuen Ästhetik zu komponieren, reagierte Morton Feldman mit dem Satz : »Da gibt es aber viel zu tun.«. Es gibt immer noch viel zu tun, aber nicht weil die Dinge so leicht liegen, sondern weil es so schwer ist, zum Beispiel gute Boxen und Lautsprecher zu bauen. Aber ausgerechnet das Gegenteil wird von der Industrie und Postmodernität anvisiert: wieviel Mangelhaftigkeit ist ertragbar.

Photos und Notizen findet man auf der Webseite von Johannes LeBong.

Valid XHTML 1.0 Transitional

Copyright 2012 (c) René Bastian - rbastian (arrobe) free.fr